Leserfrage: «Schon wieder bin ich mit einem Mann zusammen, der mich ausnützt. Bin ich vielleicht selbst schuld? 

Die Frage «Bin ich selbst schuld?» gefällt mir. Wo ich «selbst schuld» bin, habe ich auch den Schlüssel zur Veränderung in der Hand – und eine echte Chance, die Zukunft aus eigener Kraft anders zu gestalten.

«Wer anderen die Schuld gibt, gibt ihnen die Macht!», schrieb der amerikanische Psychologe und Autor Wayne Dyer. Wer die Ursachen für das eigene Unglück vor allem bei den anderen und deren Handeln sucht, begibt sich freiwillig in die passive Opferecke. Hier kann man nicht viel tun ausser warten, aushalten, tapfer sein und klagen. Und natürlich hoffen. Darauf, dass der andere ein Einsehen hat und ein besserer Mensch wird.

Partnerinhalte
 
 
 
 
Traditionelle Rollenbilder bringen Beziehung in Schieflage

Das klassische Geschlechterbild schreibt Frauen dieses eher passive Verhalten zu. Ein Mann geht demnach auf die Suche, geleitet von der Frage «Wer gefällt mir?». Die Frau fragt sich: «Wem gefalle ich?» Zwei Spielarten der Annäherung, die sich stark auf die Qualität der Beziehung auswirken können, wenn sie als Haltung bestehen bleiben und als Rollen in einer Partnerschaft fixiert werden.

Bei solchen Paaren entsteht zunächst mal eine scheinbare Einigkeit: Er schaut auf sein Wohl, und sie schaut auch auf sein Wohl. Bei der Wahl des Restaurants, des Kinofilms, beim Sex .

In der ersten Phase der Verliebtheit fühlt sich das noch nicht schlecht an. Man schäumt über vor Glück, hat viel zu geben, gibt gern. Nach und nach melden sich dann aber die vernachlässigten Bedürfnisse, und die Schieflage beginnt zu schmerzen. Gedanken wie «Ich bin doch auch noch da, ich bin doch auch wer!» machen sich breit. Aber irgendwie ist man in einem Arrangement gelandet, in dem das so nicht funktioniert.

Starke Frau, schwache Partnerin

Es ist erstaunlich, wie viele gestandene, selbstbewusste Frauen in Partnerschaften hängen bleiben, in denen sie sich nicht wahrgenommen, lieblos behandelt oder ausgenützt fühlen. Mit Partnern, die sie als selbstherrlich und egoistisch beschreiben. Und sie warten und hoffen und halten aus. Frauen, die in allen anderen Lebensbereichen selbstbestimmt und stark sind. Die wissen, was sie wollen, klare Werte haben und Verantwortung übernehmen. Als wären sie in ihrer Paarbeziehung ein ganz anderer Mensch. Zaghaft, zögerlich, abhängig.

 

«Wer sich freiwillig in die Opferecke begibt, kann nicht viel tun ausser warten und klagen.»

Christine Harzheim, Psychologin FSP und systemische Familientherapeutin

 


Wie Nähebeziehung geht, lernt der Mensch im Kontakt mit seinen ersten nahen Bezugspersonen, meist den Eltern. Wird das Kind in dieser intensiven Beziehung als eigenständiges Individuum Erziehung So stärken Sie das Selbstbewusstsein des Kindes wahrgenommen? Oder ist es da, um die Wünsche der Eltern zu erfüllen und ihre Ziele zu erreichen? Werden seine Bedürfnisse erkannt und erfüllt? Oder sind die Eltern so sehr mit sich, ihren Ängsten, ihrer Sucht beschäftigt, dass es eher stört? Erlebt es Geborgenheit und Sicherheit? Sind seine Eltern berechenbar, oder ist es ihren wechselnden Emotionen ausgeliefert und versucht sich durch Anpassung an ihre Bedürfnisse zu schützen?

Wer in solch prägenden ersten Beziehungen lernt, sich selber hintanzustellen oder zu verleugnen, um dazuzugehören, erlebt in einer erwachsenen Liebesbeziehung oft, dass alte Muster reaktiviert werden. Verunsicherung und ein wackeliges Selbstwertgefühl führen zu Überanpassung.

Sinnvolle Reflexion für eine starke Beziehung

Für jemanden, der zum wiederholten Male in einer Beziehung landet, die schlicht nicht guttut, ist es sinnvoll, sich zu fragen: «Bin ich selbst schuld?» Auf keinen Fall im moralischen Sinn. Sondern aufrichtig und mit Fürsorge für sich selbst. Wer bin ich, und wer bin ich in Liebesbeziehungen Liebe Welche Zutaten braucht es? ? Warum lasse ich mich hier so behandeln, wie ich es ausserhalb nie akzeptieren würde? Kenne ich diese Gefühle aus meiner Kindheit?

Wenn in einer Beziehung ausgenützt wird, braucht es auch die andere Person, die das zulässt.

Erst wenn man selbst versteht, wie man auf Nähe reagiert und warum man sich so schutzlos fühlt, kann man sich befreien. Entweder indem man beginnt, die eigenen Bedürfnisse wahrzunehmen und einzufordern, oder indem man realisiert, dass dieser Partner einem nicht gerecht werden kann oder will – und sich trennt.

Sich selbst zu kennen und sich auch bei grosser Nähe nicht aus den Augen zu verlieren, ist eine wichtige Voraussetzung für eine Liebesbeziehung – bei beiden Partnern.

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Chantal Hebeisen, Redaktorin
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