Martin Baumann will eigentlich nur ein Sofa kaufen. An einem Montagabend im Januar 2023 parkiert er sein Auto vor einem Möbelgeschäft in der Lyssacher «Einkaufsmeile». Was Baumann nicht weiss: Der Parkplatz gehört nicht zum Geschäft, sondern wird von einem Betreiber geführt, der sämtliche nicht bezahlten Parkgebühren mit Nachforderungen, Betreibungsandrohungen oder Strafbefehlen eintreibt. 

Bereits im Mai berichtete der Beobachter über das Vorgehen. Mit einer ungenügenden Signalisation nutzt der Betreiber die Unwissenheit ortsfremder Kunden aus. Für Baumann – der eigentlich anders heisst – und viele andere ist nicht ersichtlich, dass es sich beim Park & Ride Lyssach um einen privat betriebenen Parkplatz handelt, direkt neben den Parkfeldern der umliegenden Geschäfte. Wenn sie nicht zahlen, flattert oft Monate später ein Strafbefehl in den Briefkasten.

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Betroffene ziehen vor Gericht

Das geschieht im Juli 2023 auch Martin Baumann. Neben einer Busse soll er fast 300 Franken Umtriebsentschädigung zahlen. Er reibt sich die Augen, denn er hatte weder eine Busse noch eine Zahlungserinnerung erhalten. Er wendet sich an seine Rechtsschutzversicherung. Diese kennt den Parkplatz bereits von ähnlichen Fällen. 

Danach ziehen Baumann und sechs weitere Betroffene die Sache vor Gericht. Sie wehren sich gegen den Strafbefehl und setzen ein Fragezeichen hinter das Vorgehen des Parkplatzbetreibers. Dieser verleiht seinen Forderungen mit einem Parkverbotsschild Nachdruck, das an mehreren Stellen auf dem Parkplatz montiert ist: ein «richterliches Verbot», das «unbefugtes Parkieren von Fahrzeugen» untersagt. Die Message ist deutlich: Wer nicht zahlt, wird angezeigt. Aber darf der Betreiber das?

Am 5. Februar 2024 verhandelte das Regionalgericht Emmental-Oberaargau den Fall von Baumann. Nach fünfstündiger Verhandlung erklärte Einzelrichter Michael Erismann zuerst, dass Baumann durchaus hätte zahlen müssen und es auch etwas «lebensfremd» sei, zu meinen, dass man dort umsonst parkieren dürfe. Die Signalisation hält der Richter für genügend – obwohl man vielen Leuten Ärger ersparen könnte, wenn die Einfahrt zum Beispiel mit einer Schranke besser abgegrenzt wäre.

Rüge für Parkplatzbetreiber

Trotzdem sei das Verbotsschild auf dem Parkplatz unangebracht, findet das Gericht. Ein solches Parkverbot würde ja genau das verbieten, was der einzige Geschäftszweck des Parkplatzbetreibers sei: dass Leute auf seinem Parkplatz parkieren.

Anders wäre es, wenn ein Verbotsschild zum Beispiel den Platz für eine Warenannahme schütze. In solchen Fällen hielte man ja Unbefugte von einem privaten Parkplatz fern. Der Richter stellt zudem fest, dass es dem Betreiber vor allem darum gehe, die Zahlungsforderungen mit dem Verweis auf das Verbotsschild durchzusetzen. Das «richterliche Verbot» diene also seinen kommerziellen Interessen. Dafür sei es nicht gedacht.

Baumann wird deshalb freigesprochen, genauso wie eine weitere Betroffene, deren Fall vor zehn Tagen verhandelt wurde. Die beiden mündlich verkündeten Urteile sind zwar noch nicht rechtskräftig, doch sie schieben der Praxis des Parkplatzbetreibers einen deutlichen Riegel. Sie kritisieren grundsätzlich das System, einen solchen Parkplatz mit einem «richterlichen Verbot» sowie serienmässigen Strafanzeigen zu betreiben, und bezeichnen es sogar als «rechtsmissbräuchlich». Gegen die Urteile meldete der Betreiber Berufung an.

Das gilt rechtlich bei Falschparkieren auf Privatgrund

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