Faul und verklemmt gehören zusammen, auch wenn ich für Ihr Problem nicht diese abwertenden Bezeichnungen benutzen möchte, sondern eher von Gehemmtheit sprechen würde. Hemmungen können harmlos sein, wir alle kennen sie. Starkes Gehemmtsein indes ist eine ernstzunehmende seelische Störung. Der deutsche Psychoanalytiker Harald Schultz-Hencke hat sich in seinem Buch «Der gehemmte Mensch» intensiv mit ihr auseinandergesetzt. Wer neurotische Hemmungen hat, kann nur ein sehr eingeschränktes Leben führen und hat paradoxerweise im Unbewussten, gewissermassen als Ausgleich, einen äusserst anspruchsvollen Schatten, der die Mitmenschen abschreckt.

Zurückweisungen, die der Gehemmte erfährt, verstärken seine Hemmungen weiter. Es setzt ein richtiger Teufelskreis ein, der krankhaft gehemmte Menschen immer noch neurotischer und einsamer macht. Durchbrechen kann man diesen Teufelskreis nur, wenn man die Gehemmtheit erkennt und sich den Kräften zuwendet, die gehemmt wurden.

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Die Schatten aus der Kindheit verschwinden nicht

Jedes Kleinkind hat einen natürlichen Drang, sich zu entfalten, und zwar in drei wichtigen Bereichen: Das Kind möchte Dinge oder Menschen haben und behalten. Es hat ein Geltungsbedürfnis, das heisst, es möchte jemand sein, autonomer werden und nein sagen können. Und schliesslich hat auch schon ein Kind eine Sexualität, die es neugierig erkunden will.

Wenn dieses natürliche Streben von den Eltern durch Bestrafung, Ignorieren oder Liebesentzug unterdrückt wird, wird aus dem allzu braven Kind ein gehemmter Erwachsener. Jemand, der übernachgiebig, kraftlos, sexuell gehemmt und deshalb oft depressiv und unsicher durchs Leben schleicht. Nicht selten spürt dieser Jemand nur eine unbestimmte Kraftlosigkeit und innere Schwäche in einem oder mehreren der drei genannten Bereiche. Vielleicht hat er sich auch in eine angenehme Bequemlichkeit geflüchtet und redet sich ein, gar keine Entfaltungsimpulse zu haben. Leider bleiben jedoch meist Reste der verdrängten Bereiche im Hintergrund lebendig, undeutlich zwar, aber zäh. So dass der Anspruchslose eine Ausstrahlung von Unersättlichkeit, der Sanfte von diffuser Aggressivität und der Asexuelle von Lüsternheit bekommt. Neurotische Hemmungen gehen also meist einher mit äusserlicher Bequemlichkeit und innerer verborgener Unersättlichkeit.

Kein Wunder, dass in zwischenmenschlichen Beziehungen schnell unlösbare Konflikte entstehen. Deshalb sind krankhaft gehemmte Menschen auch kein Gewinn für die Gemeinschaft. Echtes soziales Verhalten erwächst aus der Anerkennung und Mitteilung der eigenen Bedürfnisse und Ansprüche. Aus Einsicht und Einfühlung in sich selbst und andere. Wir haben alle ein Recht darauf, etwas zu haben und zu behalten. Ein Recht darauf, jemand zu sein, ernst genommen zu werden und etwas gestalten zu können. Ein Recht darauf, Liebe, Zärtlichkeit und Sexualität zu erleben. Wer sich diese elementare Entfaltung erlaubt, wird weder habgierig noch gewalttätig, noch sexuell rücksichtslos und unersättlich werden. All diese unsozialen Zerrbilder werden von den ausser Kontrolle geratenen Schatten von Menschen erzeugt, die im Grunde genommen gehemmt sind.